Plärrer

Als gebürtige Augsburgerin begleitet mich der Plärrer – Schwabens größtes Volksfest – schon mein gesamtes Leben. Ich kenne den Plärrer als Kind, als Jugendliche und als Erwachsene. Für jedes Alter hat der Plärrer etwas zu bieten. Unverwechselbar sind die Gerüche und die Geräusche die man mit einem Aufenthalt verbindet. Eine Mischung aus gebrannten Mandeln, Steckerlfisch und Bier, akustisch gepaart mit quietschenden Kindern, grölenden Heranwachsenden, dem unverwechselbaren Klang der Mikrofonansagen der Schausteller, in der Ferne unterlegt mit Blasmusik oder Schlager. Auch optisch hat der Plärrer viel zu bieten. Die technischen Konstruktionen halsbrecherischer Fahrgeschäfte, die vielen bunten und blinkenden Lichter, der Ausblick auf die Stadt Augsburg von oben, wenn man mit dem Riesenrad fährt. Bei Tag wie bei Nacht schaurig schön und die perfekte Szenerie.

Die Reduktion auf die Silhouette, ornamentale Strukturen, die Wiederholung oder Vervielfältigung, Dopplung, Spiegelung, oder das Übereinanderlegen mehrerer Ebenen – in jedem Fall eine Art von Abstraktionsmechanismus – stellen den Betrachter oftmals vor mehr Fragen, als die Umrisse zu beantworten imstande sind. Die Wahl lieblicher Muster sowie die Farbgebung spielen mit den kollektiven und seit Geburt an tradierten Sehgewohnheiten, oftmals unter Verwendung kunsthistorischer oder historischer Bezüge. Die Archivalien und historischen Dokumente des Stadtarchivs Augsburg boten mir einen perfekten Anreiz sowie Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für meine künstlerische Auseinandersetzung mit der Thematik „Plärrer“.

Das Medium Papier durchdringt meine Arbeiten auf unterschiedliche Weise. Ich arbeite stets konzeptuell und definiere meine Gedanken über die Grafik. Am Anfang des Plärrer-Projekts stand eine graue standardisierte Archivkiste aus Karton, befüllt mit Dokumenten und Fotos. Schritt für Schritt entwickelte ich mein Konzept in einem Ideenheft, das dieser Box nun ebenfalls beiliegt. Infolgedessen erarbeitete ich eine Serie von acht Papierschnitten im Standartformat DinA4. Alle sind gleich gerahmt sowie rückseitig signiert. Die Farbe Grau zieht sich durch das gesamte Projekt, angefangen bei der Archivkiste selbst, über die grauen Standardrahmen, bis hin zu den Schwarz-Weiß-Fotografien und Kopien der Archivalien, die im Einzelfall sogar selbst Teil der Arbeit wurden.

Die standardisierte, vereinheitlichte Präsentation steht dabei in einem gewollten Widerspruch zu den Inhalten, die sich mit Rausch, Vergnügen, Ekstase und Zerstreuung beschäftigen. Die Erinnerung an den Ausbruch aus dem Alltag, den die Besuchenden des Plärrers erfahren haben, wird nun selbst Teil des Archivs, das strengen Regeln der Sicherheit, konservatorischen Auflagen der Aufbewahrung und einer festgelegten Systematisierung und Ordnung folgt.